Was auf dem Spiel steht

Die AfD könnte aus den Landtagswahlen als stärkste politische Kraft hervorgehen und damit echte Gestaltungsmacht erlangen. Welche Einflussnahme sich auf Länderebene ergibt und wie Szenarien einer autoritär agierenden Regierung aussehen könnten.

ALLES RECHTENS?

Über das Personal Einfluss auf die Justiz nehmen: Denkbar, um zu Urteilen im Sinne der eigenen Parteilinie zu kommen. 

Die Justiz orientiert sich am Bundesrecht. Auf Ebene der Länder kann politisch wenig Einfluss genommen werden. Was aber möglich ist:

Erstens: Die Länder können die Zuständigkeiten der Gerichte anpassen. Eine Regierung kann also etwa bestimmen, dass nur noch ausgewählte Landgerichte für die Verhandlung bestimmter Straftaten zuständig sind. Das erklärt Jura-Student und Mitarbeiter des Verfassungsblogs Janos Richter im Gespräch mit Veto. Sollte ein Gericht also personell AfD-nah aufgestellt sein, könne das problematisch werden.

Zweitens: Per Rechtsverordnung könnte ebenso verfügt werden, dass einzelne Gerichte in Asylfragen für bestimmte Herkunftsländer zuständig sind. Und es wäre auch möglich, dass das sogenannte Gerichtspräsidium bestimmte Themenfelder ausgewiesenen Personen zuweist. Das schaffe laut Janos Richter realistische Angriffspunkte auf die unabhängige Justiz.

Das Verwaltungsgericht in Gera sei dafür ein treffendes Beispiel: Sowohl der Gerichtspräsident als auch dessen Stellvertreter und genauso der Sprecher, der gleichermaßen Richter ist, verkehren laut Presseberichten in einschlägigen AfD-Kreisen. Verhandelt wird an Verwaltungsgerichten über Verfahren von der Baugenehmigung bis zum Geflüchtetenrecht. 

In Sachen Zuständigkeit erklärt der Verfassungsblog-Mitarbeiter: „Wenn an einem Landgericht ein Richter sitzt, der AfD-nah ist, könnte eine AfD-Regierung diesem gezielt Fälle von migrantischen Menschen zuweisen.“ Warum? Um zu Urteilen im Sinne der AfD-Agenda zu kommen.

Recht ähnlich sei es bei der Arbeitsweise von Verwaltungsgerichten und besonderen Themenzuschnitten. Das Versammlungsrecht zum Beispiel sei wenig beliebt. „Weil oft Eilentscheidungen getroffen werden müssen. Auch am Samstag und Sonntag muss unter Zeitdruck gearbeitet werden. Das will kaum jemand machen“, meint Janos Richter. Das könnte politisch ausgenutzt werden, um dort AfD-nahe Personen zu etablieren.

Auch hinsichtlich der Verfassungsgerichte auf Länderebene ergeben sich Einfallstore. Diese sind zuständig, „die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit der Landesverfassung zu überprüfen“.

Am Beispiel Thüringen wird dieses Szenario durchgespielt: Zunächst ist das Landesverfassungsgericht gut geschützt, da es im Parlament für die Ernennung neuer rechtsprechender Personen eine Zweidrittelmehrheit braucht, auch deren Anzahl und Wahl verfassungsmäßig vorgeschrieben sind. Die AfD könnte also selbst bei Regierungsmehrheit Ämter nicht mit sympathisierenden Personen besetzen.

Die AfD wäre jedoch bereits mit mehr als einem Drittel der Sitze in der Lage, Schaden anzurichten. Sie hätte dann nämlich eine Sperrminorität. Sie könnte Abstimmungen, für die eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, blockieren oder andere Parteien damit erpressen.

Der Verfassungsblog beschreibt das so: „Unter dem Damoklesschwert einer solchen Blockade könnte die autoritär-populistische Partei die Wahl eigener Kandidierenden in das Gericht oder andere Entscheidungen des Parlaments in ihrem Sinne erzwingen, etwa bestimmte Posten für die Abgeordneten oder Gesetzesänderungen.“

So könnten Ämter rechtsprechender Personen an Verfassungsgerichten, die die Gewaltenteilung kontrollieren, langfristig unbesetzt bleiben, was die demokratische Legitimation schwächen und auch eine Angriffsfläche für autoritär-populistische Kräfte bieten könnte.

Es bleibt daher wichtig, dass es weiterhin demokratische Mehrheiten in den Parlamenten gibt, denn wenn zwei Drittel der Wahlberechtigten die AfD wählen, helfen all diese Schutzmechanismen nicht mehr.

Eine systemische Resilienz gegen eine Einflussnahme könnte geschaffen werden, indem Präsidiumsentscheidungen öffentlich gemacht würden. Das bedeutet, „dass vorher am Gericht diskutiert wird und Beschlüsse im Präsidium berücksichtigt werden. Das würde Transparenz schaffen“, sagt Janos Richter. Gleichzeitig komme es auf die persönliche Resilienz von rechtsprechenden Personen an. Aufklärungsarbeit sei hier entscheidend: „auf Berufsverbände zugehen, um Veranstaltungen zu etablieren, auch Lobbyarbeit machen, damit Vernetzung und Austausch funktionieren.“

Um den Landesverfassungsgerichtshof vor der Einflussnahme der AfD zu schützen, sind effektive Präventionsstrategien denkbar. Dazu gehört etwa die Stärkung des Amtsfortführungsprinzips, damit rechtsprechende Personen auch bei Schwierigkeiten in der Neuwahl im Amt bleiben.

Das beschriebene Risiko einer AfD-Sperrminorität minimieren könnte ein Ersatzwahlmechanismus, der eine Kombination aus Vorschlagsrecht des Verfassungsgerichts und abgesenkter Mehrheitsanforderung vorsieht.

Präventive Normenkontrollen sollen sicherstellen, dass neue Gesetze vor ihrem Inkrafttreten auf Verfassungskonformität geprüft werden. Diese Maßnahmen bewahren die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs und sichern die demokratische Stabilität und Legitimation des Gerichts.

DEUTSCHE LEIDKULTUR

Kulturpolitik wird im Land entschieden – über die Finanzierung. Was das angeht, hat die AfD katastrophale Vorstellungen.

Kulturpolitik ist neben der Bildung „Kernstück der Eigenstaatlichkeit“ der Länder. Die „Kulturhoheit“ regelt die „primäre Zuständigkeit für Schul- und Hochschulwesen, Bildung, Rundfunk, Fernsehen, Kunst“. Wesentlich ist die Finanzierung konkreter Angebote. Die Kulturförderung lässt sich dabei im Haushaltsplan der jeweiligen Regierung nachvollziehen.

Demnach ist es Sache der politisch Verantwortlichen, Etats festzulegen und Förderanträge zu bewilligen. Zudem gibt es eine institutionalisierte Kulturförderung durch entsprechende Stiftungen in den Ländern: etwa die Thüringer Kulturstiftung, die Kulturstiftung Brandenburg und die Kulturstiftung des Freistaats Sachsen. Und auch der Bund vergibt Mittel, beispielsweise über die Kulturstiftung des Bundes.

Die AfD erklärt, staatliche Kulturförderung von politischer Willensbildung trennen zu wollen. Gefordert wird, „deutsche Leitkultur“ zu bevorzugen, ebenso die deutsche Sprache, Regional- und Lokalgeschichte. Mit Blick auf die Erinnerungskultur erklärt die Partei, den Fokus hin zu „positiven Erzählungen“ verschieben und so laut Thüringens AfD-Chef Björn Höcke eine „erinnerungspolitische Wende“ herbeiführen zu wollen.

Um Inhalte an dieser Stelle nicht unnötig zu reproduzieren, erfolgt der Verweis auf die Wahlprogramme der AfD in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Apropos Kulturverständnis: Letzteres leitet mit einem Gedicht des Hilter-Verehrers Franz Langheinrich ein. Das steht für sich. 

Zu erwarten ist, dass eine AfD in entscheidenden politischen Ämtern wie etwa dem der Kultur Förderentscheidungen ihren Inhalten anpassen und somit einer Vielzahl an Projekten, Initiativen und Organisationen Gelder kürzen oder diese komplett entziehen würde. Das erklärt Janos Richter, Jura-Student und Mitarbeiter im Team des Verfassungsblogs gegenüber Veto. In der Konsequenz könnte das eine Vereinheitlichung des Kulturangebots, weniger Vielfalt und weniger Repräsentanz zum Beispiel für Themen und Perspektiven von Minderheiten bedeuten.

Institutionalisierte Kulturstiftungen könnten darüber hinaus per Gesetz abgeschafft beziehungsweise Einfluss auf deren Förderentscheidungen genommen werden. „In Thüringen wird das Stiftungskuratorium, das über Förderungen entscheidet, vom sogenannten Stiftungsrat gewählt. Sollte die AfD im Landtag die Stimmenmehrheit erhalten, könnte sie den Stiftungsrat stellen beziehungsweise mehrheitlich besetzen.“ So könnte der Anschein eines unabhängigen Entscheidungsorgans erhalten, aber personell und inhaltlich Einfluss auf die Förderung genommen werden.

Eine Einflussnahme könnte sich hypothetisch auch bei Förderrichtlinien ergeben, so Janos Richter. „Ganz plakativ gesagt, könnten Richtlinien so angepasst werden, dass zeitgenössische Kunst etwas mit Thüringen oder krasser noch mit Heimat und Heimatliebe zu tun haben muss. Allerdings kann ich mir das eher schwer vorstellen.“

Im Programm der Thüringer AfD klingt eine Kulturförderung, die stärker kommunal aufgestellt wird, konkret an. Gefordert wird, die „Spielräume und Möglichkeiten der kommunalen Kulturförderung zu vergrößern und kulturpolitische Verantwortung stärker lokal und regional zu verankern“. 

Alternative Finanzierungsquellen durch privates Sponsoring, vom Land unabhängige Fördermittel sowie bürgerschaftliches Engagement durch Crowdfunding und Spendenkampagnen dürften weiter an Bedeutung gewinnen. Zudem profitieren Kulturinstitutionen immer von intakten Netzwerken untereinander, beispielsweise zu zivilgesellschaftlichen Organisationen – um sich gegenseitig zu unterstützen, zu kooperieren. So können Aufklärungskampagnen, Medienarbeit, Bildungsprogramme gemeinsam initiiert werden und so eine Sensibilität für die Bedeutung kultureller Vielfalt geweckt und öffentlicher Support mobilisiert werden.

FÜR DAS VERGESSEN

In Gedenkstätten sind Angriffe von rechts bereits gegenwärtig. Und was, wenn die AfD bestimmt, wie und was wir erinnern? 

Wie die konkrete politische Einflussnahme einer AfD mit mehr Macht auf die erinnerungskulturelle Arbeit aussehen könnte, lässt sich am Beispiel Thüringen veranschaulichen.

Um die Arbeit von Gedenkstätten – die unter anderem die Erinnerung und fortwährende kritische Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Zeit garantieren – ist es gegenwärtig problematisch bestellt. Immer wieder melden sich Menschen in leitenden Positionen zu Wort und berichten von rechten Angriffen, Anfeindungen, Drohungen.

So berichtet Elke Gryglewski, Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, von neonazistischen Fotoshootings, rechten Propagandaaufklebern und eingeschlagenen Fensterscheiben. „Personen, die verbotene Symbole tragen, sich offen antisemitisch oder geschichtsrevisionistisch äußern“, erlebt auch Oliver von Wrochem, Sprecher der AG der KZ-Gedenkstätten.

Parallel dazu verkünden AfD-Politiker wie Björn Höcke: „Der ewige Nazi muss raus aus den Köpfen der Deutschen.“ Maximilian Krah, gewählter EU-Abgeordneter der AfD, spricht mit Blick auf  „unsere Vorfahren“ nicht von den Verbrechen, sondern von „Helden und Vorbildern“.

Die leitende Person im Kultusministerium in Thüringen übernimmt qua Gesetz den Vorsitz im Stiftungsrat der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Das erklärt Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner. So kann Einfluss auf finanzielle Mittel und die inhaltliche Ausgestaltung der Gedenkstättenarbeit genommen werden, meint Wagner.

Eine AfD-Person an der Spitze des Kultusministeriums beschreibt er als „unerträglichen Gedanken“. Wagners Standpunkt ist klar: „Wir werden dagegenhalten und auch einem Ministerpräsidenten Björn Höcke nicht erlauben, an Veranstaltungen in der Gedenkstätte teilzunehmen.“ 

Diese Form von Nicht-Duldung und Haltung, die Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner am Beispiel Thüringen beschreibt, ist die eine tragende Widerstandsstrategie in einem eher ausweglosen Szenario.

AUSSER GEFECHT

Erst Druck, dann Kahlschlag: Auf Anfragen und Klagen gegen zivilgesellschaftliche Initiativen folgt das Aus der Finanzierung. 

Die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements wird in den Ländern entschieden. Denn finanzielle Mittel werden vonseiten der jeweiligen Regierung bestimmt und verteilt. Unabhängig davon besteht auch die Möglichkeit, Unterstützung durch Bundesmittel zu beantragen: Zu den größten Fördertöpfen gehören die Programme „Demokratie leben“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Es können Abhängigkeiten zwischen Landes-, Bundesmitteln und auch kommunalen Geldern bestehen.

Zudem werden „viele lokale Initiativen vom Bund über ‚Partnerschaften für Demokratie‘ finanziell gefördert.“ Das erklären Rechtsanwältin Vivian Kube und Verfassungsblog-Mitarbeiter Klaas Müller.

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hat Projekten gegen rechts den Kampf angesagt. Auch beim geplanten Demokratiefördergesetz haben mehrere Landesverbände der AfD klar Position bezogen.

Geht es darum, Maßnahmen der Demokratieförderung und politischen Bildung zu fördern, diskreditiert etwa die AfD Mecklenburg-Vorpommern den Vorstoß als „Projekt auf dem Weg in den Gesinnungsstaat“. Die AfD Hamburg behauptet hingegen, das „antidemokratische“ Gesetz würde die „Versammlungs- und Meinungsfreiheit einschränken“.

Wie die AfD Druck auf zivilgesellschaftliche Projekte ausübt, haben in der Vergangenheit eine Flut parlamentarischer Anfragen gezeigt, die das Ziel haben, Organisation zu diffamieren, ihnen Einseitigkeit und eine Nähe zum Linksextremismus zu unterstellen, um die Förderung anzuzweifeln.

Auch Klagen gehören zum Parteirepertoire. So haben sich im Juni über 100 Initiativen in einem offenen Brief mit der Forderung an Kanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt, das Gemeinnützigkeitsrecht anzupassen.

Hintergrund der Aktion: Weil Initiativen zu Demonstrationen gegen die AfD aufgerufen hatten, erhalten diese nun Briefe von Finanzämtern, in denen ihre Gemeinnützigkeit angezweifelt wird. Denn die AfD erstatte entsprechende Anzeigen bei den Behörden, heißt es in Presseberichten.

Die Verfassungsblog-Mitarbeitenden Vivian Kube und Klaas Müller halten es für naheliegend, dass ein von der AfD geführtes Bildungsministerium Landesprogramme streicht. Zwei AfD-Landesverbände werden an dieser Stelle tatsächlich konkret. In Brandenburg soll der Kampf gegen rechts enden, heißt es. Dem Aktionsbündnis Tolerantes Brandenburg soll daher die Finanzierung gestrichen werden. In Thüringen das gleiche Bild – hier soll das Landesprogramm abgeschafft werden. Den bislang geförderten Initiativen würde somit das Geld entzogen.

Ein weiterer Angriffspunkt könne auch bei der kommunaler Förderung entstehen, nämlich dann, wenn Initiativen darauf angewiesen sind, „das federführende Ämter, die dem Bürgermeister oder Landrat unterstehen, entsprechende Mittel weiterleiten“. Auch das berge ein Potenzial zur Verhinderung demokratiestärkender Arbeit, erklären Kube und Müller.

Vorgemacht hat Robert Sesselmann im thüringischen Sonneberg, was eine AfD in Entscheidungspositionen praktisch für zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte bedeuten kann. Im letzten Jahr hatte der Landrat versucht, die „Partnerschaft für Demokratie“ aufzukündigen. Verhindert werden konnte das letztlich nur durch den Jugendhilfeausschuss, dem ein Mitspracherecht eingeräumt ist.

Doch nicht überall sei es Vorgabe, dass ein weiteres Gremium in solche Prozesse involviert werden muss. Dann „können autoritäre Populisten an der Spitze kommunaler Ämter die Zusammenarbeit einfach beenden“, so Kube und Müller. „Zum Beispiel durch die Weigerung, den Förderantrag zu unterschreiben. Denkbar wäre auch, dass AfD-Verantwortliche bei der Auswahl Kriterien wie die ,Bekämpfung von Rechtsextremismus’ einfach vernachlässigen oder unliebsame Initiativen kritisch überprüfen.“

Um gegen autoritär agierende Kommunalbehörden vorzugehen, müsse die Selbstverwaltung durch einen Träger der Zivilgesellschaft geprüft werden. Nur so könne mehr Staatsferne erreicht werden. So lautet ein Vorstoß von Vivian Kube und Klaas Müller vom Verfassungsblog-Team.

Ein anderer Vorschlag besteht darin, den bestehenden Begleitausschuss der „Partnerschaften für Demokratie“ in seiner Funktion zu stärken. So wäre es beispielsweise ratsam, dessen rechtsverbindliche Zustimmung bei der Vergabe oder Streichung von Fördermitteln einzufordern.

Stiftungen würde eine noch gewichtigere Rolle zukommen. Vernetzung um Öffentlichkeit herzustellen und Unterstützung zu mobilisieren, wäre daüber hinaus eine wichtige Einflussmöglichkeit.

SETZEN, SECHS!

Einfallstor für rechtsextreme Narrative: Neuer Stoff und veränderte Schwerpunkte im Lehrplan, andere Klassenausflüge?

Bildung ist laut Artikel 30 des Grundgesetzes Ländersache und betrifft die sogenannte Kulturhoheit der Länder. Dementsprechend werden Bildungsfragen von den Kultusministerien der Länder geregelt.

Zudem ist ein Großteil schulischer Fragen nicht in länderspezifischen Schulgesetzen geregelt, sondern auf Basis von Verwaltungsvorschriften oder Rechtsverordnungen. Diese können die Kultusministerien selbst erläutern und erlassen und über die Lehr- und Bildungspläne – unter anderem die Auswahl und Beschaffung von Lernmaterialien oder die Gewichtung von Stundentafeln – in konkrete Praxis überführen.

Diese Verwaltungsvorschriften müssen in der Regel nicht öffentlich gemacht werden und könnten innerhalb weniger Wochen umgesetzt werden, erklärt Rechtswissenschaftler Felix Hanschmann.

Kurzer Exkurs: Inklusionsprojekten steht die AfD ablehnend gegenüber. Im ARD-Sommerinterview 2023 erklärte der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke, Lernformen dieser Art sollen nicht weiter gefördert, das Bildungssystem von „Ideologieprojekten“ wie diesen „befreit“ werden.

Die Kultusministerien können direkt Einfluss auf die Lehrplan-Gestaltung nehmen. Würde sich diese Behörde also in AfD-Hand befinden, hätte das voraussichtlich bemerkenswerte und einschneidende Folgen.

Denkbar ist, dass Themen und Inhalte, die nicht zur AfD-Programmatik passen, gestrichen werden, um zum Beispiel konservative Familienbilder in der pädagogischen Vermittlung zu stärken. Zudem könnte darüber entschieden werden, „welche Schulbücher verwendet und welche Fächer in welchem Umfang unterrichtet werden“, weiß Jurist Felix Hanschmann.

Und ferner, „welche Ausflüge es gibt: eine Fahrt zum Hermannsdenkmal oder in ein ehemaliges Konzentrationslager“. Felix Hanschmann benennt vor allem den Politik-, Geschichts- und Ethikunterricht als Einfallstor, um rechtsextreme Narrative zu verbreiten.

Eine Einflussnahme könne nicht nur über Lehrpläne erfolgen, sondern auch über das Lehrpersonal selbst. Rechtsextreme Einstellungen blieben oftmals unbemerkt, weil es (noch) keine systematische Überprüfung für extremistische Äußerungen im Lehrkontext gibt, so Felix Hanschmann.

Für den Fall, dass Lehrkräfte mit rechtsextremen Äußerungen auffallen, ist die Wahrscheinlichkeit momentan hoch, dass diese entlassen werden. Dennoch schränkt der Jurist ein: Es bräuchte zunächst Menschen, die auf solche Fälle überhaupt aufmerksam machen. Und: Letztlich entscheide das Kultusministerium über die Einleitung von Disziplinarmaßnahmen.

Das aber könnte bei einem AfD-geführten Kultusministerium ausbleiben. Eher im Gegenteil: Lehrkräfte, die gegen rechtsextreme Meinungen und Narrative aufstehen und ihre Stimme erheben würden, könnten unter Druck gesetzt und eingeschüchtert werden. Eigens eingerichtete Online-Meldeportale der AfD unter dem Titel „Neutrale Schulen“ haben dieses strategische Vorgehen in der Vergangenheit bereits aufgezeigt.

Darauf verweist Marie Müller-Elmau, Mitarbeiterin des Verfassungsblogs. Im Gespräch mit Veto sagt sie: Die AfD interpretiere Neutralitätsgebote – verbrieft im Beutelsbacher Konsens und dem Mäßigungsgebot für die Bedienstete im öffentlichen Dienst – aus taktischen Gründen absichtlich falsch. Sie prognostiziert: Wenn die AfD Einfluss im Schulwesen nehmen könnte, würde sie voraussichtlich Lehrkräften mit Disziplinarverfahren drohen und damit vorrechtliche Räume zur Einschüchterung nutzen.

Zudem macht Müller-Elmau klar, dass sich Lehrkräfte wie Schulleitungen verstärkt mit dem Konzept des Schulfriedens vertraut machen müssten. Dieses regelt, dass im Falle von Konfliktlagen die Schulaufsichtsbehörde einschreiten und Verbote anordnen dürfe.

In der Vergangenheit tauchte der „Schulfrieden“ im Zusammenhang mit der AfD bezüglich Kopftüchern an Kitas und Schulen auf. „Im Zuge des Schulfriedens könnte auch die Versetzung von Schulleitungen bestimmt werden“, so Müller-Elmau. Anfällig für Missbrauch sei das Konzept, weil denkbar wäre, dass ein Kultusministerium „Konflikte selbst kreiert“.

Auch für die kommunale Ebene gibt die Juristin eine Sache zu bedenken: Landräte sind Schulträger, je nach Bundesland gibt es demnach geteilte Zuständigkeiten. „Landräte haben ein Zutrittsrecht zu Schulen. Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung dürfen sie zwar nicht nehmen, aber ob das eingehalten wird und was die Präsenz ausrichtet, ist eine andere Frage.“

Erstens: Laut Jurist Felix Hanschmann sind Schulen „relativ schwach, weil sie keine rechtsfähigen Einrichtungen des Staates sind.“ Der Klageweg ist deshalb ausgeschlossen. Auch die höheren Hierarchieebenen begrenzen die Handlungsfähigkeit einer einzelnen Schule.

Zweitens: Lehrkräfte könnten sich weigern, wenn sie zu rechtswidrigem Handeln aufgefordert werden, erklärt Felix Hanschmann. Jedoch sind Schulleitungen weisungsbefugt und sitzen demnach am längeren Hebel. Aus Sicht Marie Müller-Elmaus kann es helfen, wenn sich Lehrkräfte mit dem Neutralitäts- und Mäßigungsgebot intensiv auseinandersetzen.

Sie verweist auf ein Grundsatzurteil, das in den Siebzigerjahren vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt wurde. Es ging um eine Lehrkraft, die einen Anstecker mit der Aufschrift „Nazis raus“ getragen hatte. In der juristischen Bewertung wurde beschrieben, dass „Beamte im Sinne des Grundgesetzes durchaus die Pflicht haben, sich zu äußern. Sich gegen den Nationalsozialismus auszusprechen, bedeutet gleichermaßen für das Grundgesetz einzustehen.“

Dieses Bewusstsein müsse geschärft und Lehrkräfte empowert werden. Dass gerade auch in der Ausbildung angehender Lehrkräfte die Themen Antisemitismus und Rassismus intensiver betrachtet werden müssen, benennt Felix Hanschmann als wichtige präventive Maßnahme.

Drittens: Marie Müller-Elmau benennt ein subjektiv einklagbares Recht auf „diskriminierungsfreie Bildung“. Ausgehend davon könnten Eltern klagen, wenn ihr Kind nicht dementsprechend unterrichtet wird. Zudem hätten Eltern die Möglichkeit, in schulischen Gremien mitzuarbeiten, um einen intensiven Einblick in die Schularbeit zu erhalten. Und sie könnten natürlich auch und gegen die Schulpolitik demonstrieren.

Viertens: Der Föderalismus biete laut Felix Hanschmann eine Option, um Alleingänge eines Bundeslandes in Sachen Bildungs- und Schulpolitik zu unterbinden. Denn: In vielen Bereichen lege die Kultusministerkonferenz gemeinsame Standards für alle Bundesländer fest.

Sollte ein Land davon abweichen, könnten sich die anderen weigern, den Schulabschluss in diesem Bundesland anzuerkennen. „Menschen mit Abitur würden dann keinen Studienplatz in einem anderen Bundesland bekommen. Das ist allerdings ein sehr scharfes Schwert.“

An anderer Stelle verweist er auf das Beispiel Brandenburg. Dort soll es ab September einen Verfassungstreue-Check für verbeamtete Personen geben. Das könne ein Weg sein, Lehrkräfte hinsichtlich Verbindungen und Vergangenheit in rechtsextreme Milieus zu überprüfen.

AM ENDE DER DEBATTE

Bislang versucht sich die AfD in die Kuratorien der Landeszentralen zu klagen. Mit Macht wäre ganz anderes möglich. 

Die Landeszentralen für politische Bildung haben nach dem Vorbild der Bundeszentrale für politische Bildung den Auftrag, „Bürgerinnen und Bürger zu motivieren und befähigen, sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinander zu setzen“. Sie sind unabhängig von der Bundeszentrale als Landesanstalt oder -einrichtung organisiert.

Rein rechtlich beruhen sie auf einer Anordnung der Regierungen in den Ländern. Im Falle Sachsens heißt es dazu: „Rechtliche Grundlage für die Tätigkeit ist ein gesetzlicher Bildungsauftrag, in dem der Landeszentrale die Förderung von Maßnahmen politischer Bildung auf überparteilicher Grundlage übertragen wurde.“ Die Dienstaufsichtsbehörde ist Sachsens Ministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung.

Anders in Thüringen, wo die Landeszentrale für politische Bildung der Staatskanzlei und damit der Ministerpräsidentin oder dem -präsidenten unterstellt ist. Nochmal anders ist die Lage in Brandenburg, wo sie zum Ministerium für Bildung, Jugend und Sport gehört.

Im Kuratorium ist die AfD in jedem der drei Bundesländer vertreten: In Thüringen mit zwei Personen, in Sachsen mit vier und in Brandenburg mit einer. Über den Klageweg hat die Partei bereits mehrfach versucht, Einfluss auf dieses überparteiliche Gremium zu nehmen.

Entsprechend der beschriebenen Ausgangslage könnte eine Regierung oder die zuständigen Ministerien darüber bestimmen, „welche Inhalte die Landeszentrale schwerpunktmäßig bearbeitet“. Mit Zustimmung des Parlaments ließe sich die Landeszentrale aber auch vollständig auflösen. „Käme eine autoritär-populistische Partei in Regierungsverantwortung, wäre die politische Bildung in Thüringen existenziell und auch in ihrer inhaltlichen Ausrichtung gefährdet.“

Um die Landeszentralen für politische Bildung gegen eine potentiell autoritär-extremistische Einflussnahme abzusichern, wird empfohlen, sie nach bayerischem Vorbild als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts zu etablieren. So würden sie eine eigene Rechtsfähigkeit nach außen gewinnen, was es ermöglichen würde, eigenverantwortlicher und damit flexibler zu handeln. Außerdem ginge damit die Verpflichtung der Regierung einher, „die Landeszentrale aufgabengerecht mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten“.

WIE DANN INFORMIEREN?

Die AfD will Rundfunkstaatsverträge kündigen. Und Lokalmedien berichten von „Selbstzensur“ aufgrund rechter Angriffe.

Der Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die Medienfreheit. Darauf kann ein Bundesland keinen Einfluss nehmen, jedoch auf die Gestaltung des länderspezifischen Rundfunks. Dieses besteht aus privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk, das durch den Medienstaatsvertrag (früher Rundfunkstaatsvertrag) geregelt wird. Dieser Vertrag legt unter anderem den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und auch die Finanzierung über den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag fest.

Darüber hinaus existieren einzelne Staatsverträge etwa für ARD, ZDF und das Deutschlandradio. Gemäß Artikel 30 des Grundgesetzes liegt die Hauptverantwortung für die Ausgestaltung bei den Bundesländern. Die Details sind in den Mediengesetzen der einzelnen Länder geregelt. In einer Erklärung des Bundestags heißt es dazu: „Um ihre Zuständigkeit zu wahren, haben sich die Länder auf einen Rundfunkstaatsvertrag geeinigt und sich vertraglich verpflichtet.“ Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Länder diesen Vertrag „zum Ende des Kalenderjahres mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr“ kündigen können.

Und die Bundes-AfD forderte schon in ihrem Wahlprogramm 2021: „Die Rundfunkstaatsverträge sind in jedem Bundesland zu kündigen.“ In den Wahlprogrammen der Länder ist diese Forderung ebenso nachzulesen. Nicht nur gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk macht die Partei Stimmung. Auch gegen journalistisch arbeitende Menschen wird heftig gepöbelt und gedroht. Angriffe von rechts nehmen zu. Die Bedrohung führt in lokalen Strukturen teils zu Formen der Selbstzensur, wie eine Studie des European Centre for Press and Media Freedom zeigt. 

Rein rechtlich kann laut Recherchen des Verfassungsblogs in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die Ministerpräsidentin oder der -präsident alleine über die Kündigung entscheiden – ohne weitere Zustimmung des Landesparlaments. Das würde konkret bedeuten: „Bei der Kündigung durch Thüringen würde der MDR in den übrigen Ländern fortgesetzt; kündigen Thüringen und Sachsen, löst sich die Rundfunkanstalt auf. Da der rbb nur durch zwei Länder betrieben wird, wäre er bei einer Kündigung Brandenburgs ebenfalls aufgelöst.“

In der Folge würde dieses Szenario die Finanzierung des bundesweiten Rundfunks durch ARD und ZDF beeinträchtigen, „Gremien müssten neu besetzt, Mitarbeitende entlassen werden“. Jurist Tobias Mast hält es für wahrscheinlich, dass in der Vorstellung der AfD der Rundfunk durch ein neues Rundfunkorgan ersetzt werden soll und vor allem private Sender Leerstellen in der Berichterstattung füllen könnten.

„Was die regionale, lokale, landesbezogene Berichterstattung anbelangt, ist der Meinungsmarkt durchaus schwächer ausgeprägt“, heißt es. „Es würde da recht schnell ein Öffentlichkeitsproblem geben.“

Empfohlen wird vom Team des Verfassungsblogs eine Anpassung der Thüringer Verfassung. Demnach sollte „die Regelung zu Staatsverträgen dahingehend ergänzt werden, dass nicht nur der Abschluss, sondern auch die Kündigung der Zustimmung des Landtags bedürfen“.

KEIN SICHERER ORT

„Transferzentren“, „Abschiebeinitiative 2025“ und „Erfolgsprüfungen für Integrationsprojekte“ – noch Fragen?

Die Asylgesetzgebung ist Sache des Bundes, allerdings sind Länder und Kommunen für die Aufnahme, Versorgung und Betreuung geflüchteter Menschen zuständig. Die Kosten tragen die Länder. Der Bund beteiligt sich, finanziert anfallende Bürgergeld- und auch Integrationsleistungen oder die mietzinsfreie Überlassung von Gebäuden und Grundstücken.

Bei Abschiebungen sind die zentralen „Ausländerbehörden“ der Länder, Landespolizeien und die Bundespolizei zuständig. Die Länder sind auch für die Integration schutzsuchender Menschen vor Ort verantwortlich – ermöglichen also beispielsweise Sprachkurse.

Denkbar ist, dass Landesmittel gekürzt und oder für Integrationszwecke bereitgestellte Mittel vom Bund nicht abgerufen werden. Strukturelle Nachteile für Menschen mit Fluchtbiografie erkennt etwa Elisa Calzorlari, Geschäftsleiterin der Organisation Migranetz in Thüringen. Zum Beispiel durch Änderungen der Integrationsrichtlinie. Das könnte für Geflüchtete bedeuten, dass sie isoliert werden, ihnen die gesellschaftliche Teilhabe erschwert beziehungsweise verunmöglicht wird.

Das Wahlprogramm der sächsischen AfD macht deutlich, wie Geflüchtete und Menschen mit einer Duldung künftig leben sollen: nämlich getrennt nach Religionen und „gut“ gesichert in „Transferzentren“ außerhalb der Ballungszentren  verteilt im ganzen Land. Heißt: abgeschottet und ohne Kontakt zur Außenwelt, von Sicherheitsbehörden ständig bewacht.

In Thüringen ist von einer „Abschiebeinitiative 2025“ die Rede. Außerdem sollen Kirchenasyl und die Finanzierung von Initiativen, die bei ablehnten Asylanträgen beraten und unterstützen, beendet werden.

Und die AfD Brandenburg plant, „Integrationsprojekte einer staatlichen Evaluations- und Erfolgsprüfung zu unterziehen“. Wie genau sich dabei Erfolg und Misserfolg messen lässt, bleibt unklar.

Besonders geflüchtete Kinder könnten künftig von Formen der Isolation und Diskriminierung betroffen sein. Gegenüber Veto erklärt die Juristin Marie Müller-Elmau, dass „nicht-deutschsprachige Kinder in separaten Klassen unterrichtet werden könnten“. In Brandenburg hatte das die AfD bereits vorgeschlagen „Auf Dauer wäre das zwar verfassungswidrig“, so Müller-Elmau, aber auch hier gäbe es Wege im vorrechtlichen Raum.

So könnten Deutschtests, die notwendig sind, um zurück in Regelklassen zu kommen, so schwer gemacht werden, dass sie kaum mehr zu erfüllen sind. „Das wäre ein Weg, ohnehin schon schwierige Integrationsprozesse noch weiter zu erschweren“, bemerkt Müller-Elmau.

Dabei sind nicht nur Hürden bei der Integration zu erwarten, sondern auch Gundrechtseinschränkungen von Minderheiten wie Geflüchteten. Laut Migazin legte erst im März 2024 die Niedersachsens AfD-Fraktion einen Gesetzesentwurf vor, der vorsah, das Demonstrationsrecht von Menschen ohne deutschen Pass einzuschränken.

Die AfD verfolgt bei den Themen Asyl, Einwanderung oder Integration einen klar abgrenzenden Kurs. Im Bund definiert die Partei ihre Ideen im 2023 veröffentlichten sogenannten „Sofortprogramm“. Maßnahmen zur Integration schutzsuchender Menschen sind darin nicht vorgesehen.

Auch auf Länderebene fehlen Vorschläge dazu. Die Verbände in Sachsen, Brandenburg und Thüringen beziehen sich auf das Grundsatzprogramm und sprechen außerdem von einer „unabdingbaren Bringschuld, sich zu integrieren“. AfD-Chef Björn Höcke hat zudem angekündigt, eine erneute Klage gegen den Bund hinsichtlich der Geflüchtetenpolitik anzustrengen.

Die Zusammenarbeit mit NGOs, alternative Finanzierungsquellen oder öffentliche Aufklärungskampagnen tragen dazu bei, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen, sie zu organisieren und zu mobilisieren. Und dies können dazu führen, dass mehr Menschen Unterstützung zeigen und so der Druck auf politische Verantwortliche wächst. So könnte Transparenz darüber eingefordert werden, wie und auch in welchem Umfang Gelder für Integrationszwecke abgerufen und verwendet werden.

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

„Für Frauen ist die AfD nicht wählbar“, appelliert der Frauenrat. Warum wird mit Blick auf das Rollenbild der Partei klar.

Rechte für Frauen sind in Artikel 3 des Grundgesetzes festgehalten. Dort heißt es wie folgt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Gleichzeitig ist Deutschland Vertragsstaat der Frauenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1979 und ist verpflichtet „auf allen Ebenen und in allen Bereichen, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Mädchen zu verwirklichen.“ Die Frauenrechtskonvention gilt als eines der wichtigsten völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrument für Frauen.

Diskriminierung ist in Deutschland zudem gesetzlich verboten. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gibt es dazu ein Regelungswerk, mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Anlaufstelle.

Die AfD verortet die Rolle der Frau in einem „traditionellen Familienbild“, bestehend aus Vater, Mutter, Kind, die sie im NS-Tradition als „Keimzelle der Gesellschaft“ bezeichnet. Frauen kommt in dieser Konstellation vor allem die Aufgabe des Gebärens und des Versorgens zu, womit auch das Problem des Fachkräftemangels in Deutschland zu lösen sei.

Die „generelle Betonung der Individualität“ dagegen untergrabe für die AfD „die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit“ heißt es im Grundsatzprogramm . Deshalb sei es erstrebenswert, dass Frauen sich Vollzeit um Kinder kümmerten. Der Deutsche Frauenrat hat deshalb erklärt, die AfD sei für Frauen nicht wählbar. 

Das Recht auf Abtreibung soll laut AfD kein Menschenrecht werden und Schwangerschaftsabbrüche nur in Ausnahmefällen legitimiert sein – im Kontext von Vergewaltigungen oder aus medizinischen Gründen. Das würde eine Stigmatisierung und Kriminalisierung bedeuten und damit einen Anstieg selbst versuchter Abtreibungen mit eklatanten Risiken.

Die 2024 beschlossenen Änderungen am Gehsteigbelästigungsgesetz, die Abtreibungswillige vor Belästigung schützen sollen, stehen darüber hinaus der AfD-Programmatik entgegen. Parteimitglieder wollen in den Anpassungen einen Schritt hin zur Abschaffung des Paragrafen 218 erkennen, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt.

Grundsätzlich steht die AfD mit ihrem Nicht-Verständnis körperlicher Selbstbestimmung von Frauen und rückwärtsgewandten Rollenbildern für eine Zementierung patriarchaler Dominanz- und Gewaltstrukturen. Dies würde auch bedeuten, dass Organisationen, Initiativen, Projekte vernachlässigt oder zerschlagen würden, die Frauen in abweichenden Lebenslagen bislang schützen und unterstützen.

Chancengleichheit in Bildung und Beruf, Teilhabe an Politik, Kultur und öffentlichem Leben, Aufklärung im Sinne der Selbstbestimmung, soziale, emotionale, medizinische und finanzielle Hilfe sowie Beratung und Hilfe in Not- und Gewaltsituationen werden mit in Abrede gestellt.

Die Vernetzung von Organisationen und Initiativen, die im Kontext von Frauenrechten arbeiten, ist ein wesentlicher Baustein um Wehrhaftigkeit herzustellen. Daraus resultiert die Kraft, Öffentlichkeit und Menschen zu mobilisieren, sich zu solidarisieren. Darüber hinaus könnten Menschen das Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wahrnehmen, um Kritik zu äußern und andere dafür zu sensibilisieren, Schutzräume und politische Anliegen zu unterstützen.

DAS DIKTAT DER NORM

In der besten aller Welten schafft Politik ein diskriminierungsfreies Lebensumfeld. Doch das ist leider die Dystopie. 

Menschenrechte und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gelten genauso für LGBTQIA+-Personen. Das Bundesverfassungsgericht hat ein Recht auf Anerkennung der geschlechtlichen Identität abgesichert.

Das reformierte Gesetz über die „Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag” soll es trans, inter und auch nicht-binären Personen erleichtern, den Namen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Das Gesetz tritt im November 2024 in Kraft. Es gibt also klare Bestrebungen, die Rechte von queeren Personen (weiter) zu stärken.

Die AfD spricht hingegen von „Gender-Mainstreaming“ und erweckt den Eindruck, es werde von institutioneller wie staatlicher Seite bewusst eine Ideologisierung vorangetrieben. Alternative Familienkonzepte lehnt die Partei ab und begründet das mit dem „Sterben des eigenen Volkes“ und „Kindswohlgefährdung“.

Die AfD wirft Aufklärungskampagnen zu Gender an Kitas oder Schulen „Frühsexualisierung“ vor und scheut sich nicht, Nonbinarität in einen Zusammenhang mit Krankheit oder Pädophilie zu bringen. Abgelehnt wird die Eheschließung von Homosexuellen. Das zugehörige Gesetz will sie abgeschaffen, ebenso das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Aus den benannten Gründen und öffentlich klar formulierten Positionen der Partei ist davon auszugehen, dass die Diskriminierung von queeren Personen wieder öffentlich legitimiert werden könnte – das hieße, dass sie beispielsweise nicht im Restaurant bedient werden, einen Job nicht zugesprochen bekommen oder auch bei ihrer Krankenversicherung benachteiligt werden. Die Kriminalisierung von Lebensentwürfen zieht Stigmatisierung, Gewalt, psychische Belastungen, Suizide nach sich.

Bei der Bundestagswahl 2021 hat die AfD sich nicht für den Schutz von LGBTQIA+-Personen in Artikel 3 des Grundgesetzes ausgesprochen. Den Ausbau des Antidiskriminierungsrechts hält sie für gefährlich, ebenso die Stärkung der Antidiskriminierungsstelle. Rückschritte bei diesen Themen wären demnach zu erwarten. Die AfD ist gut vernetzt mit evangelikalen Hardlinern und christlich-fundamentalistischen Gruppen, die weltweit Einfluss auf Gesetze zur Gleichberechtigung nehmen.

Die stärkere Vernetzung von Organisationen und Initiativen ist auch hier ein Weg, die eigene Infrastruktur zu stärken, Öffentlichkeit zu schaffen und andere Menschen zu mobilisieren, sich zu solidarisieren. Genauso kann auch das Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ausgeübt werden, um Kritik zu äußern und Menschen zu sensibilisieren, Schutzräume und politische Anliegen der Community zu unterstützen – zum Beispiel durch finanziellen Support oder ehrenamtliche Mitarbeit.

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In den AfD-Programmen der Ost-Länder ist von der Freiheit des Bekenntnisses und freier Religionsübung die Rede, aber …

Die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte definiert. Das Menschenrecht garantiert die gleiche Freiheit für alle und schafft damit die Voraussetzung für einen gesamtgesellschaftlichen Frieden. Religionsfreiheit stößt dann auf Einschränkungen, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch sie in Gefahr gerät.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ heißt es im Programm der AfD. Weiter heißt es dort: „Ein orthodoxer Islam, der unsere Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar.“ Darin steckt die Unterstellung, der Islam erhebe im christlich geprägten Deutschland ebendiesen Herrschaftsanspruch – ein Narrativ, das oft bedient wird. Sollte die AfD in Verantwortung kommen, sind Eingriffe in das Recht auf freie Religionsausübung zu erwarten.

Die kategorische Ablehnung, die Kriminalisierung und die Betonung der vermeintlichen Unvereinbarkeit Menschen muslimischen Glaubens mit einer „deutschen Leitkultur“ hat bereits  Früchte getragen: Der Bau der Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt-Marbach wurde begleitet von Schweinekadavern, die auf dem Baugelände ausgelegt wurden, von Hassbotschaften gegenüber beteiligten Betrieben, vom Boykott durch Baufirmen. Dahinter steht die Hetze von AfD und Pegida. Das Beispiel zeigt, welches Klima in einem AfD-Machtszenario gedeihen könnte.

In ihren Wahlprogrammen spricht sich die AfD für ein Kopftuchverbot und Verschleierungsverbot in öffentlichen Einrichtungen und auch im öffentlichen Raum aus. Auch andere muslimische religiöse Praktiken sollen verboten werden, wie das Schächten und die Beschneidung.

Der Bau neuer Moscheen soll verhindert, existierende Moscheen sollen überwacht werden oder gezwungen werden, eine Demokratieerklärung abzugeben und keine Fördermittel mehr aus dem Ausland annehmen zu dürfen. Unter dem Deckmantel einer „erfolgreichen Integration“ in die vermeintlich einheitliche und christliche Mehrheitsgesellschaft wird so muslimisches Leben in Deutschland eingeschränkt und erschwert. All das soll einer vermeintlichen Islamisierung Deutschlands entgegenwirken. Für die AfD gilt: „Die Religionsfreiheit findet ihre Schranken in unserer Rechtsordnung. Ohne Integration, keine Teilhabe.“ 

Darüber hinaus gehören antisemitische Haltungen, die Verharmlosung oder Leugnung des Holocaust zum rhetorischen Repertoire der Partei. Die AfD könnte demzufolge versuchen, Einfluss auf die Finanzierung von Gedenkstätten zu nehmen und mit der Heroisierung deutscher Geschichte eigene Schwerpunkte in der Erinnerungskultur zu setzen.

Die Verbrechen des Nationalsozialismus gerieten so mehr und mehr in Vergessenheit und so auch die Mechanismen, die sie möglich gemacht haben: völkisches Gedankengut, die Störung demokratischer Prozesse oder auch die Delegitimierung journalistischer Arbeit.

Bei der Religionsfreiheit und dem Recht auf freie Religionsausübung hilft es, sich solidarisch mit Betroffenen bei Fällen von Diskriminierung und der Einschränkung genannter Rechte zu zeigen. Wichtig ist auch, sich mit anderen Menschen zu vernetzen, Öffentlichkeit herzustellen, das Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen, um den Abbau demokratischer Rechte nicht stillschweigend hinzunehmen.

Bei den Wahlen im Osten droht ein Rechtsruck. Was tun? Haltung zeigen und mit anderen teilen: